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Zwischen Selbstbild und Alltag: Warum psychische Klarheit entsteht, wenn beides zusammenpasst

  • Monia von Burg
  • 3. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit
Spiegel für das Selbst

Wenn dein Alltag funktioniert, aber innerlich etwas nicht stimmig ist, kann es an einem Ungleichgewicht zwischen deinem Selbstbild und deinem Leben liegen.



In diesem Artikel erfährst du, was psychologische Forschung über Selbstkonzept und Selbstkongruenz sagt – und wie du Schritt für Schritt wieder in Verbindung mit dir selbst kommst.



 

Wenn dein Alltag funktioniert – aber sich innerlich etwas nicht stimmig anfühlt


Vielleicht kennst du das: Du entscheidest, organisierst, kümmerst dich. Alles läuft – aber innerlich bleibt ein Fragezeichen. „Irgendwie passt das gerade nicht zu mir.“ Oder: „Ich weiss gar nicht mehr, was ich selbst brauche.“


Viele Frauen spüren diesen inneren Widerspruch besonders stark – gerade dann, wenn sie vieles gleichzeitig tragen: Beruf, Familie, Partnerschaft, Care-Arbeit.


Wenn das Aussen gut gefüllt ist, aber das Innen stiller wird, spricht die Psychologie von einem Zustand, der aufhorchen lässt: Selbstinkongruenz.


 

Was Selbstkongruenz bedeutet – und weshalb sie psychologisch bedeutsam ist


In der Psychologie versteht man unter Selbstkongruenz die Übereinstimmung zwischen deinem Selbstbild – also dem, was du über dich glaubst – und deinem tatsächlichen Verhalten, Erleben und Fühlen im Alltag.


Wenn du z. B. von dir glaubst, empathisch zu sein – aber im hektischen Alltag immer wieder über deine eigenen Grenzen gehst, entsteht ein Spannungsfeld.

Diese Lücke ist nicht nur unangenehm. Sie kann auf Dauer belastend sein.


Aktuelle Forschung zeigt:

Wenn Menschen regelmässig gegen ihre eigenen inneren Überzeugungen oder Bedürfnisse handeln, sinkt ihr psychisches Wohlbefinden – selbst wenn sie nach aussen „gut funktionieren“ (Lenton, Bruder & Sedikides, 2022; Liu, Zhang & Tang, 2024).


Solche Unstimmigkeiten sind keine Schwäche. Sie entstehen oft durch äusseren Druck, Rollenvielfalt – oder ein Selbstbild, das lange nicht hinterfragt wurde.



Wie sich innere Inkongruenz im Alltag zeigen kann


  • Du tust „das Richtige“ – aber fühlst dich dabei nicht stimmig

  • Du vermeidest Konflikte – obwohl du innerlich Widerstand spürst

  • Du funktionierst – aber dein innerer Antrieb fehlt

  • Du weisst, was du brauchst – aber tust es nicht


Diese Empfindungen können stille Hinweise sein, dass du gerade nicht in Verbindung mit deinem Selbstbild lebst – oder mit einem Selbstbild, das dir vielleicht nicht mehr entspricht.


 

Was psychologische Forschung über Selbstkongruenz zeigt


Bereits Carl Rogers (1961) sprach davon, dass inneres Wachstum und psychische Gesundheit dann entstehen, wenn Menschen kongruent leben – also authentisch und im Einklang mit sich selbst. Neuere Forschung baut darauf auf:

  • Sheldon et al. (1997) zeigten, dass Selbstkongruenz mit mehr Lebenszufriedenheit und innerer Authentizität einhergeht – besonders dann, wenn Menschen mehrere Rollen (Eltern, Beruf, Beziehung) gleichzeitig erfüllen.

  • Liu et al. (2024) untersuchten, wie Menschen über innere Arbeit wieder zu einem stimmigeren Selbst zurückfinden – z. B. durch Reflexion, Wertearbeit oder bewusste Entscheidungen im Alltag.

Die gute Nachricht: Selbstkongruenz ist kein fixer Zustand, sondern ein lernbarer Prozess.



 


Was dir hilft, wieder in Verbindung mit dir zu kommen


1. Werde dir deiner Rollen bewusst


Frage dich:

  • Welche Rollen erfülle ich aktuell?

  • Welche Erwartungen wirken darin – von mir und von anderen?

  • Welche davon passen (noch) zu mir?


Diese Reflexion bringt Klarheit – und ist der erste Schritt zu mehr Verbindung.


Frau am Fenster

Mehr dazu, warum wir oft in viele Rollen schlüpfen – und wie du dich darin nicht verlierst, liest du im Artikel: „Funktionieren ist kein Lebensgefühl – wie du dich zwischen deinen Rollen wiederfindest“




2. Finde deinen inneren Kompass


Manchmal haben wir ein Selbstbild übernommen, das lange gut funktioniert hat – aber heute nicht mehr passt.

Was ist dir wirklich wichtig?

Was würdest du tun, wenn niemand etwas von dir erwarten würde?


Deine Werte geben dir Orientierung, gerade wenn du im Aussen viel gibst. Sie helfen dir, authentischer zu leben – ohne dich zu verbiegen.


Frau im Wald

Wie du über deine Werte wieder innere Klarheit findest, erfährst du ausführlich im Beitrag: „Wie du durch Wertearbeit innere Klarheit gewinnst – jenseits von Erwartungen“



3. Erlaube dir Mini-Ausrichtungen


Du musst nicht alles ändern. Aber ein kleiner Schritt in Richtung mehr Stimmigkeit – z. B. ein klares Nein, ein bewusstes Ja, eine Pause für dich – kann dein inneres Gleichgewicht neu ausrichten.



Frau auf Sofa

Wenn du merkst, dass du oft funktionierst, aber dabei selbst zu kurz kommst – dieser Beitrag vertieft das Thema Selbstfürsorge im Alltag: „Echte Selbstfürsorge – warum sie oft nicht das ist, was du denkst“




 


Mini-Übung: Spüre (wieder), was dir entspricht


Nimm dir 5 Minuten Zeit – vielleicht mit einer Tasse Tee, in Stille oder nach einem tiefen Atemzug.


Notebook

Schreib dir ehrlich auf:

  1. In welchem Lebensbereich fühle ich mich gerade „nicht ich selbst“?

  2. Was tue ich dort – und warum?

  3. Was wäre ein kleiner Schritt, der mehr mir selbst entspricht?


Diese Übung stärkt deine Selbstwahrnehmung – und ist der erste Schritt zurück zu mehr Selbstkongruenz.



 

Fazit: Selbstkongruenz entsteht nicht durch Veränderung, sondern durch Verbindung


Selbstkongruenz ist mehr als ein persönliches Ideal.Sie ist eine innere Orientierung – gerade in einem Alltag, der oft im Aussen taktet.


Sie bedeutet nicht, perfekt zu leben. Sondern ehrlich mit dir zu sein – auch wenn du gerade viel trägst.


Wenn du dir erlaubst, wieder zu spüren, was dir wirklich entspricht, entstehen kleine, klare Ausrichtungen. Kein grosser Umbruch. Sondern ein leises Wiederankommen bei dir.


Es geht um das stille Gefühl: «Ja, das bin ich.»


Und genau dort beginnt sie wieder – deine innere Klarheit.



 

Quellen


  • Lenton, A. P., Bruder, M., & Sedikides, C. (2022). Self-expression can be authentic or inauthentic: Differential outcomes for well-being. Journal of Research in Personality, 102, Article 104310. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2022.104310

  • Liu, F., Zhang, J., & Tang, Y. (2024). Developmental authenticity: Inner work and personal alignment. Frontiers in Psychology, 15, Article 11210626. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.11210626

  • Rogers, C. R. (1961). On becoming a person: A therapist’s view of psychotherapy. Houghton Mifflin.

  • Sheldon, K. M., Ryan, R. M., Rawsthorne, L. J., & Ilardi, B. (1997). Trait self and true self: Cross-role variation and psychological authenticity. Journal of Personality and Social Psychology, 73(6), 1380–1393.

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